Im Klassenchat kursiert ein Video von Noah: Er stolpert mit hochrotem durch die Gegend Kopf und brüllt vor Wut. Jemand hat ihm die Hose heruntergezogen. Um ihn herum stehen seine lachenden Mitschüler*innen. Das Ganze wurde gefilmt und im Klassenchat geteilt. Alle haben es gesehen – außer Noah selbst, denn er wurde schon vor einiger Zeit aus dem Klassenchat gelöscht.
Gestern wurde Noah von seiner Cousine auf das Video angesprochen, sie hat es auf TikTok gesehen. Dort wurde es zusammen mit peinlichen Gerüchten über ihn weiterverbreitet. Das erklärt so einiges: Noah spürt schon länger, dass die ganze Schule über ihn tuschelt und ihn auslacht.
Es gibt viele Möglichkeiten, seine Mitmenschen zu belästigen oder zu schikanieren. Nie war das so einfach wie heute – Smartphone sei Dank. Beleidigungen, Gerüchte oder peinliche Bilder können mit wenig Aufwand innerhalb kürzester Zeit einem sehr großen Publikum zugänglich gemacht werden. Das mag für manche amüsant sein, aber für Betroffene ist es eine Katastrophe.
Medien können auf vielfältige Weise für Mobbing eingesetzt werden: Betroffene erhalten zum Beispiel direkte Nachrichten mit Beschimpfungen, Gemeinheiten oder sogar Bedrohungen. Meistens kennen sich Täter*in und Opfer aus der Schule oder anderen persönlichen Kreisen, selten kommen die Angriffe von Unbekannten. Es kann jedoch auch vorkommen, dass nicht sofort klar wird, wer hinter einem Angriff steckt, weil die Identität verschleiert wird.
Das Ganze kann auch in Chatgruppen und sozialen Netzwerken passieren: So erreicht die Bloßstellung ein großes Publikum. Neben bösen Worten, werden manchmal Fotos oder Videos der Betroffenen ungefragt veröffentlicht. Die Aufnahmen werden manchmal von den Täter*innen selbst gemacht. In besonders schlimmen Fällen kommt es sogar zu tätlichen Angriffen, die speziell für die Aufnahmen inszeniert werden.
Manchmal werden private Nachrichten, persönliche Inhalte oder intime Details veröffentlicht oder überall herumgezeigt, um eine Person zu demütigen. Oder es wird ein falsches Profil in einem sozialen Netzwerk erstellt.
Cybermobbing kann auch bedeuten, dass Betroffene gezielt von Gruppen ausgeschlossen werden, sei es in WhatsApp-Gruppen oder etwa in Online-Spielen.
Besonders hinterhältig am Cybermobbing ist, dass es für Betroffene keinen sicheren Ort und keine Pause gibt: Mobber*innen können ihre Zielperson rund um die Uhr über die Medien erreichen, selbst im eigenen Zimmer zu Hause gibt es keine Privatsphäre mehr. Wenn der Angreifer besonders feige ist und anonym handelt, ist das besonders verunsichernd, da nicht klar ist, von wem die Angriffe kommen.
Im Vergleich zu verbalen Angriffen sind Online-Attacken dauerhafter, denn sie können immer wieder gelesen oder angesehen werden. Zudem erreichen die Beleidigungen, Bloßstellungen und Gerüchte durch die Verbreitung über Medien innerhalb kürzester Zeit ein riesiges Publikum. Die Auswirkungen für die Betroffenen können verheerend sein, das steckt auf Dauer niemand einfach weg.
Die Folgen ständiger Schikane sind negative Gefühle wie Angst, Traurigkeit, Hilflosigkeit oder Wut. Manche sind so eingeschüchtert, dass sie sich kaum noch zur Schule trauen, geschweige denn, sich aktiv am Unterricht zu beteiligen. Sie ziehen sich zurück, um keine Angriffsfläche zu bieten. Andere reagieren wütend oder werden sogar richtig krank, denn Mobbing ist eine Form von fortwährender Gewalt.
Für Betroffene scheint die Situation hoffnungslos zu sein, da es selten ist, dass Menschen aus dem näheren Umfeld den Mut aufbringen, zu helfen und die Demütigungen zu stoppen. Wer Glück hat, wird vielleicht von ein paar Leuten verteidigt. Meistens gibt es jedoch mehr, die das lustig finden und mehr oder weniger aktiv daran teilnehmen oder sich aber ganz heraushalten.
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