TikTok-Camp

Am 23.09.2022 hat das ServiceBureau Jugendinformation „das Ruder“, den Medienkompetenz Preis der Landesmedienanstalt Bremen, für das Konzept eines TikTok-Camps erhalten.


Dank der mit der Auszeichnung verbundenen Zuwendung konnten wir unser Konzept in die Tat umsetzen: Das TikTok-Camp fand an zwei Wochenend-Tagen im Mai 2022 im Jugendzentrum Findorff statt. Ein Team aus 4 Medienpädagog*innen bzw. Teamer*innen aus dem ServiceBureau und zwei Expert*innen des Filmkollektivs „Shitty Pants Productions“ aus Hamburg sorgten für ein abwechslungsreiches und informatives Programm sowie einen reibungslosen Ablauf.


Der erste Workshoptag startete mit einem Kennenlernen und einer thematischen Einführung. Damit wurde eine erste gemeinsame Wissensgrundlage geschaffen, auf der in den weiteren Diskussionen aufgebaut werden konnte. An dieser Stelle wurde bereits die Expert*innenrolle der Teilnehmenden klar, die sich mit Begeisterung beteiligten, Fragen stellten und ihre persönliche Meinung mitteilten.


Um auch praktisch einzusteigen, wurden erste einfachere TikToks als gesamte Gruppe gedreht. Die Teilnehmenden waren dafür zunächst nur vor der Kamera. Durch diesen niedrigschwelligen Einstieg konnten auch Teilnehmende mit wenig TikTok-Vorerfahrungen direkt aktiv teilhaben. Im Zuge der sich anschließenden Fragen nach Veröffentlichung oder Teilen der Videos wurden die Themen Selbstdarstellung, Kinder- und Jugendschutz, Datenschutz und Privatsphäre besprochen.


Nach einem gemeinsamen Warm-Up am zweiten Tag des TikTok-Camps startete die Gruppe mit der Sichtung und Sammlung spannender, innovativer und viraler TikToks. Die Sammlung der Jugendlichen wurde um Videos des pädagogischen Teams ergänzt. Mit der Aufforderung, ihre eigene Video-Selektion zusammenzustellen, zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen, wurden die Jugendlichen als Fachleute ihrer digitalen Lebenswelt anerkannt und bestärkt. 


Die gemeinsame Sichtung der Videos führt zu lebendigen Diskussionen. Dabei wurden Chancen von TikTok wie hilfreiche Tutorials, Tipps für den Umgang mit unterschiedlichen (Alltags)Problemen, Unterhaltung, Empowerment und Repräsentation besprochen. Auch die Risiken der TikTok-Nutzung waren Thema. So wurde über Hatespeech, Mobbing und unangenehme Inhalte gesprochen und wie man sich effektiv davor schützen kann.


Auch gestalterische Elemente wie Erzählstruktur, Filmschnitt, Animationen und Effekte haben wir gemeinsam mit der Gruppe analysiert und kategorisiert. Während die Jugendlichen bis zu diesem Zeitpunkt als Rezipient*innen agierten, wechselten sie nun zur Rolle aktiver Nutzer*innen. Nach einem hilfreichen Input zu Grundlagen und Techniken der Filmproduktion wurden die Jugendlichen kreativ und produzierten eigene TikTok-Filme. Es wurde ausprobiert, geschnitten, angeschaut, noch mal gedreht, verworfen, verbessert und viele Male für gut befunden, sodass letztendlich die Ergebnisse gemeinsam angeschaut werden konnten.
 


Sechs Erkenntnisse:


Jugendliche kennen sich gut aus

Das TikTok-Camp hat verdeutlicht, dass sich Jugendlichen sehr gut mit der Funktionsweise der App und deren Trends und Challenges auskennen. Viele Videos arbeiten mit Referenzen auf andere - diese Insider werden von den Jugendlichen gelesen und verstanden. Jugendliche kennen die Trends und Hypes der Plattform. Dieses Insiderwissen fehlt vielen Erwachsenen, weshalb sie per se "aus der Szene raus sind". Die Jugendlichen schaffen sich so ihre eigenen Freiräume, die sie für ihre Entwicklung brauchen. Diese sind zwar virtuell, aber dringen weit in den Alltag der Jugendlichen ein und haben z.T. enorme Auswirkungen auf diesen.


Der Hype ist schon wieder am Abklingen

Der TikTok Hype unter den Jugendlichen hat vor drei Jahren den Höhepunkt erreicht. Nun findet eher eine Verlagerung der Zielgruppe statt und die User*innen sind durchschnittlich älter. Dennoch ist sie immer noch die beliebteste App der Jugendlichen. Diese schätzen ihre eigenen Kompetenzen im Umgang sehr hoch ein und haben uns Erwachsenen erstmal nicht zugetraut, dass wir ihnen dort irgendwas zeigen können.


Jugendarbeit ist eigentlich (wieder) zu spät/ Läuft hinterher

Obwohl der Hype abklingt, sind viele junge Menschen noch bei TikTok. Jugendarbeiter*innen und Medienpädagog*innen sollten weiterhin Angebote zu aktuellen Apps und Tools anbieten. Aus diesem Grund werden wir die Inhalte des TikTok-Camps komprimieren und als  3-5-stündige Workshops für Schulen und Jugendeinrichtungen anbieten. 


TikTok Nutzer*innen sind jung

Auch waren wir überrascht, wie jung einige Teilnehmer*innen waren. Wir hatten geplant, eine Teilnahme ab 14 Jahren zu ermöglichen, das Interesse war aber schon bei 10-jährigen so groß, dass wir die Altersgrenze auf 10 Jahre gesenkt haben. Wir hatten sogar Anfragen von Eltern, die ihre 8-jährigen Kinder anmelden wollten. Einige Kinder, vor allem die Jüngeren, benutzen die App heimlich, zum Teil auf den Smartphones ihrer Eltern oder sogar mit deren Accounts. Dabei stoßen sie auf Inhalte, die ihnen nicht gefallen oder Unbehagen auslösen, wollen aber deshalb diese Erfahrung nicht mit "Autoritätspersonen" teilen.


Der TikTok-Algorithmus sorgt für persönliche Bubbles

Auf TikTok wird das Phänomen der Filterblase besonders deutlich. Die “ForYou” Seiten und Lieblingsvideos der Jugendlichen sahen sehr unterschiedlich aus. Durch verschiedene Interessen und Vorlieben zeigt der TikTok-Algorithmus den Nutzer*innen ähnliche Videos wie die, die bereits gelikt wurden. So entstehen verschiedene “Bubbles”, die bei den Jugendlichen sehr stark variieren. Was für die einen selbstverständlicher Content ist, haben die anderen noch nie gesehen. Trotz dessen gibt es viele Songs, Stars oder Trends, die von den meisten gekannt werden.


Bewegtbilder sind der weiterhin der Trend der Zukunft.

Nach dem Hype von Fotos sind nun (Kurz)Videos angesagt. Erkennbar wird dies durch den Erfolg von TikTok. Die Entwicklung, dass andere Plattformen verstärkt auf Videoinhalte setzen (wollen) zeigt einen klaren Trend für die Zukunft an.


Damit ist klar: TikTok bleibt weiterhin ein Thema für die Jugendarbeit und Medienpädagogik.

 

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