WhatsApp in der Jugendarbeit

„Wir dürfen kein WhatsApp bei uns auf der Arbeit benutzen, aber wir erreichen die Jugendlichen mit den anderen Messenger nicht“, so die Aussage einer Fachkraft auf dem Fachtag „WhatsApp in der Jugendarbeit. Das ServiceBureau Jugendinformation hatte zum Fachtag am 25.01.2018 in die Jugendbildungsstätte LidiceHaus geladen und die hohe Anzahl an Teilnehmer*innen deutete schon im Vorfeld darauf hin, dass das Thema Messenger-Dienste und Datenschutz im Kontext der Arbeit mit Jugendlichen eine große Rolle spielt.

Geladen war Frau Dr. Imke Sommer, Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, welche im Laufe des Tages die juristische Perspektive auf das Thema erläuterte. 

Die Abfrage unter den teilnehmenden Jugendarbeiter*innen verdeutlichte, welche digitalen Medien und Messenger-Dienste im Arbeitsalltag genutzt und wie umfassend diese verwendet werden: Lediglich eine einzige Person nutze keinerlei Messenger-Dienste. Alle anderen griffen für Informationsaustausch, Terminabsprachen, Koordination und weiteres mehrmals täglich auf einen Messenger zurück - der Stellenwert von WhatsApp, Telegram, Threema und Co. in der Jugendarbeit ist also sehr groß.

Anschließend daran knüpfte der Input „Lebensweltorientierung in digitalisierten Lebenswelten“ von Markus Gerstmann. Es wurden aktuelle Mediennutzungszahlen präsentiert (JIM Studie 2018), Alltag in der (digitalen) Kommunikation von und mit Jugendlichen thematisiert, pädagogische Maxime in der Jugendarbeit besprochen und die Vor- und Nachteile (Sammeln von Metadaten, End-to-end-Verschlüsselung, Kostenfaktor) der einzelnen Messenger-Anbieter erörtert. (Artikel von Karolin Schwarz: "Hacker erklären, welche Messenger-App am sichersten ist" | 22.01.2018)

Deutlich wurde, dass Medien fester Bestandteil jugendlicher Lebenswelten sind und für den Prozess der Identitätsbildung eine konstitutive Bedeutung haben. Die Nutzung von Messenger-Diensten, ebenso wie die generelle Nutzung digitaler Medien, steigt statistisch gesehen an.

Fast alle Jugendlichen besitzt heute ein Smartphone. Dies wird aber weniger zum Telefonieren, mehr jedoch zur Unterhaltung, beispielsweise dem Streamen von Musik oder Videos genutzt. Vorwiegend aber dient es den Jugendlichen zur Kommunikation bzw. dem Austausch mit ihren Peergroups via Messenger.

Gerstmann präsentierte anschließend mehrere Beispiele, wie Institutionen der Jugendarbeit mithilfe von Messenger-Diensten Kontakt mit Jugendlichen knüpfen und/oder aufrechterhalten. Die Frage, welche Anforderungen eine lebensweltorientierte, zeitgemäße Kinder- und Jugendhilfe stellt, sprich wie Jugendliche zeitgemäß und schnell erreicht werden können und müssen, gleichzeitig dennoch in diesem Rahmen ausreichend Privatsphäre gewahrt werden kann und man selbst als gutes Vorbild zur Medienerziehung dient, macht deutlich, in welchem Dilemma pädagogische Arbeit oftmals steckt.

Anschließend übernahm Frau Dr. Imke Sommer, die Datenschutzbeauftragte des Landes Bremen die Aufgabe, den rechtlichen Blickwinkel zum Thema zu erörtern. Der Input zu „Informationelle Selbstbestimmung und WhatsApp?!“ setzte den Fokus auf Datenschutz als Grundrecht, Datenverarbeitung und -übermittlung. Der Vortrag fußte auf der ab dem 25. Mai 2018 gültigen Europäischen Datenschutzgrundverordnung.

Grundsätzlich wurde angemerkt, dass auch nach der Einführung der neuen Grundverordnung auf den „inneren Datenschutzkompass“ Verlass sei. Des Weiteren sensibilisierte die Referentin insbesondere für den Umgang mit personenbezogenen Daten, Anonymisierung (und wie schwer diese fällt), die Minderung von Wiedererkennbarkeit im Internet und die Datenschutz-Prinzipien: Weitergabe von Daten nur bei rechtlicher Grundlage oder Einwilligung (und welche Voraussetzungen es dafür gibt), die Verhältnismäßigkeit (legitimer Zweck, Wahl des mildesten Mittels, Relation bzw. Angemessenheit), Transparenz und Richtigkeit der Daten (Rechte der betroffenen Person) sowie die Datensicherheit.

Im Laufe des Vortrags wurde deutlich, dass die rechtliche Kompatibilität von WhatsApp in der Jugendarbeit größtenteils anzuzweifeln ist. Der Messenger-Dienst sei wie eine „Postkarte“  zu behandeln und dementsprechend zu benutzen. Dies muss auch und vor allem Jugendlichen mitgeteilt werden, wenn beispielsweise über Gruppenchats mit ihnen kommuniziert wird.

Fachkräfte dürfen Jugendliche außerdem nicht zur Registrierung auffordern, sondern darauf achten, dass sie die „Postkartendienste“ freiwillig und ohne sozialen Druck nutzen, Alternativen kennen und über ihren Einsatz nachdenken. 

Grundsätzlich gilt, dass der Austausch sensibler Informationen und Gespräche darüber nicht über WhatsApp geführt wird, sondern nach Möglichkeit auf persönlicher Ebene geführt wird.

Auch die Themen Schweigepflicht bzw. Schweigepflichtentbindung und Rechtfertigender Notstand nach §34 StGB im Falle einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben wurden thematisiert. Eine Dokumentation der Entscheidung seitens der Fachkraft ist, für den Fall einer juristischen Aufarbeitung, hier unabdingbar. 

Entscheidend ist dabei zu dokumentieren: Warum wurde welche Entscheidung getroffen, welche Möglichkeiten wurde ab gewägt (Pädagogische Aufgaben, Datenschutz und aktuellen Gegebenheiten)  und welche Mittel wurden dafür gewählt?

In der abschließenden Diskussions- und Fragerunde wurde kontrovers debattiert. Vor allem Fragen aus dem Praxisalltag wurden gestellt und konkrete Beispiele genannt, welche die wiederkehrenden Widersprüchlichkeiten zwischen dem Arbeitsauftrag, nämlich zeitgemäßer, klientelorientierter Jugendarbeit und gleichzeitiger Wahrung der datenschutzrechtlichen Anforderungen, aufzeigten. Es wurde offensichtlich, in welchem Dilemma Jugendsozialarbeiter*innen oftmals stecken, mit welcher Verunsicherung dies einhergeht und auf welch schmalem Grat sie sich teils bewegen.

Bei Unsicherheit und rechtlichen Grauzonen sollten deswegen Verhältnismäßigkeit und Vorgehensweisen dokumentiert werden, um sich abzusichern. Auch positive Erfahrungen wurde aus mehreren Arbeitsfeldern berichtet, z.B. die Nutzungsvorgabe und Finanzierung eines Trägers für den als sicher geltenden Messenger-Dienst Threema.

Der Fachtag endete ergebnisoffen, aber in mehreren Punkten herrschte Einigkeit: Die Entwicklung befindet sich im stetigen Wandel, sie muss intensiv verfolgt, immer wieder angepasst und auf Neuerungen reagiert werden. Dabei sollten im Zweifel Abwägungen gemacht, Vorgehensweisen hinterfragt und erst dann Entscheidungen getroffen werden.


Für uns als Veranstalter*innen ist das Fazit des Fachtages:

Wenn eine Fachkraft ihre Aufgabe nicht gerecht werden kann, weil diese mit „erlaubten“ Messenger niemand erreicht, so kann WhatsApp mit folgenden Bedingungen bedingt benutzt werden:
 

  • Mit einem Diensthandy für die Kommunikation mit Jugendlichen
     
  • Begründung für die Entscheidungen mit den Abwägungen (Verhätnismäßigkeit = Zweck, Eignung, Erfolderlichkeit, Angemessenheit ; ist es das „mildeste“ Mittel?) und den Problemfeldern gut und genau dokumentieren.
     
  • Jugendliche nicht zur Registrierung bei WhatsApp auffordern
     
  • WhatsApp in der Regel für Veranstaltungsinformationen und allgemeine Termine benutzen
     
  • Persönliche Termine mit Jugendlichen nur ohne den Grund kommunizieren
     
  • WhatsApp nie als einzigen Messenger anbieten, sondern auch Alternativen (wie Threema, Signal)
     
  • Immer wieder, sowie regelmäßig WhatsApp und andere Messenger mit den Jugendlichen thematisieren, dieses bitte auch gut dokumentieren

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