Digitale Selbstverteidigung für Mädchen* und Frauen* in Bremerhaven

Ein Projekt für mehr Sicherheit Teilhabe im Netz

Ob auf TikTok, bei Roblox oder im Gruppenchat: Der digitale Raum ist für viele junge Menschen ein Ort des Austauschs, der Information und der Selbstdarstellung. Doch gerade Mädchen, junge Frauen, inter, trans und nichtbinäre Personen [1] sind hier zunehmend mit Formen digitaler Gewalt konfrontiert – von Cybermobbing über Hate Speech bis hin zu Cybergrooming oder der ungewollten Verbreitung intimer Inhalte. Zudem sind auch Porno- und Gewaltvideos sehr einfach abrufbar und „noch nie hatten Pädokriminelle so viele Möglichkeiten, auf Bilder, Gespräche und Adressen von Minderjährigen zuzugreifen.” [2]

Diese Entwicklungen führen oft zu einem Gefühl der Ohnmacht und Unsicherheit. Um dem entgegenzuwirken, wurde im Mai vom Schulamt Bremerhaven ein Projekt gestartet, das sich gezielt an weibliche und queere Schüler*innen in Bremerhaven richtet. Mit der Durchführung wurde das ServiceBureau Jugendinformation beauftragt.

 

Digitale Gewalt: Ein strukturelles Problem

Digitale Gewalt ist in den Lebenswelten junger Menschen allgegenwärtig. In Onlinespielen erleben 76% der Gamer*innen Hass, wobei insbesondere auch der identitätsbezogene Hass zunimmt. [3] Dazu gehört auch die geschlechtsspezifische Diskriminierung: Laut der Beratungsstelle HateAid machen Frauen und Mädchen zwei Drittel der Betroffenen aus, die dort Unterstützung suchen. [4] Die Gewalt äußert sich in vielfältiger Form – sei es durch sexistische Kommentare, Deepfake-Pornografie oder Doxing. Besonders betroffen sind zudem Personen, die mehrfach marginalisiert sind. Auch öffentlich auftretende Frauen und queere Personen auf Social Media werden häufig Zielscheibe von Beschimpfungen und Hass. 

Die Istanbul-Konvention, ein völkerrechtlicher Vertrag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, erkennt solche digitale Gewalt explizit als ernstzunehmendes Risiko an. 2011 wurde der Vertrag durch den Europarat in Istanbul aufgesetzt und ist 2018 auch in Deutschland in Kraft getreten. Im Landesaktionsplan Bremen sind deshalb Maßnahmen gegen häusliche und sexualisierte Gewalt fest verankert. Doch die Umsetzung von Maßnahmen gegen digitale Gewalt stand noch aus. [5] Das Projekt ist deshalb nun Teil Landesaktionsplans Istanbul-Konvention, der 2021 erstellt wurde und zunächst Maßnahmen für einen Zeitraum von 4 Jahren festschreibt.

 

Das Projekt

Ursprünglich war eine zweijährige Ausbildung von Medienscouts geplant, um Schülerinnen zu stärken und ihnen die Gestaltung eigener Angebote zu ermöglichen – eine Finanzierung steht noch aus. Um das Thema „Digitale Selbstverteidigung“ dennoch frühzeitig in Schulen zu verankern, bietet das Projekt im 1. Schulhalbjahr 2025/26 kostenlose, flexible Workshops für die Sekundarstufe I an – als Projekttage/-wochen, Einzelveranstaltungen oder regelmäßige Treffen. Parallel finden Fortbildungen für Lehr- und Fachkräfte statt, die Wissen und Handlungskompetenz vermitteln.

Die Workshop-Inhalte werden alters- und bedarfsgerecht gestaltet. Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und weitere Bezugspersonen können einbezogen werden, um nachhaltige Schutzstrukturen zu schaffen. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Schaffung eines geschützten Raumes: Hier dürfen Wut und Frust raus, aber auch Kreativität, Solidarität und Visionen für eine digitale Welt, in der alle sicher und sichtbar sein können.

Mit praktischen Tipps und Übungen lernen die Teilnehmenden, wie sie Bedrohungen frühzeitig erkennen, sich und andere schützen, Gegenrede leisten und Hilfsangebote finden können. Dabei sollen feministische Perspektiven gestärkt und Fragen zu Geschlechterrollen, Diskriminierung und Teilhabe im digitalen Raum diskutiert werden. Ziel ist es, das Selbstbewusstsein im Umgang mit digitalen Medien zu stärken – nicht durch Verzicht, sondern durch Wissen, Vernetzung und Mut zur Gegenwehr. Teilnehmende werden eigene Inhalte erstellen, um digitales Selbstbewusstsein aktiv und kreativ zu leben. Begleitende Social Media Beiträge verbreiten die Ergebnisse und erreichen so auch die erweiterte Zielgruppe.

Digitale Selbstverteidigung ist mehr als Technikwissen. Sie ist ein feministischer, intersektionaler Akt der Selbstermächtigung. In einer Welt, in der digitale Gewalt allgegenwärtig ist, brauchen Queers, Mädchen und Frauen Räume, in denen sie sich austauschen und informieren können. Diese längst überfällige Möglichkeit wird nun in Bremerhaven umgesetzt und bestenfalls fortgeführt – auch an weiteren Orten.

 

Bisherige Umsetzung und Ausblick

Das Projekt wurde bisher an mehreren Schulen in Bremerhaven umgesetzt und hat zu spannenden Gesprächen und Ergebnissen geführt. Dabei konnten die Jugendlichen auch eigene Ideen festhalten, sich austauschen und sich an der Dokumentation der Erkenntnisse beteiligen.

Es sind weitere Workshops an Schulen geplant, die wahlweise einen bestimmten Schwerpunkt behandeln oder das Ziel verfolgen, die Schüler*innen allgemein für das Thema zu sensibilisieren. Anmeldungen sind fortlaufend für Schulen in Bremerhaven möglich. Parallel bieten wir in den Herbstferien 2025 in Kooperation mit „Arbeit und Leben“ außerschulische Workshops an.

Für Lehrkräfte und Fachkräfte aus der Jugendarbeit werden fortlaufend Fortbildungen angeboten, für die man sich im SEFO VA System anmelden kann. Diese Veranstaltungen stehen Fachkräften aus dem Land Bremen offen. 

 

 

 

Literatur:

[1] Vgl. Prasad, Nivedita (2021): Digitalisierung geschlechtsspezifischer Gewalt. Zum aktuellen Forschungsstand, in: bff/Prasad (Hrsg.): Geschlechtsspezifische Gewalt in Zeiten der Digitalisierung. Formen und Interventionsstrategien, S. 29

[2] “Noch nie zuvor hatten Kinder und Jugendliche soviel Einblick in zum Teil verstörende Bilder und Filme im Internet. Und noch nie hatten Pädokriminelle so viele Möglichkeiten, auf Bilder, Gespräche und Adressen von Minderjährigen zuzugreifen.” innocenceindanger.de

[3] Hate is No Game: Hate and Harassment in Online Games 2023 https://www.adl.org/resources/report/hate-no-game-hate-and-harassment-online-games-2023. Zuletzt aufgerufen am 27.06.2025

[4] Vgl. von Hodenberg, Anna-Lena; Ballon, Josephine: Consultation of the Council of Europe/GREVIO. General Recommendation on the Digital Dimension of Women, abrufbar unter hateaid.org/wp-content/uploads/2021/05/Protection-of-women-against-digital-violence.pdf

[5] “Eine fachliche Debatte über Formen der Öffentlichkeitsarbeit, die von digitaler Gewalt betroffene Frauen und Mädchen besser erreichen, steht noch aus. Ebenso ist nicht erarbeitet, wie digitaler Gewalt gegen Frauen und Mädchen dort präventiv begegnet werden kann, wo sie stattfindet und welche Aufgaben die Facheinrichtungen dabei übernehmen können oder sollten.” S. 31. „In Zeiten der Digitalisierung müssen Kinder und Jugendliche lernen, die Chancen und Risiken der Nutzung von digitalen Medien zu erkennen und einen sensiblen Umgang mit ihnen zu pflegen.“ S. 116. Hrsg. Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz - Stabsbereich Frauen - Landeskoordinierungsstelle Istanbul-Konvention, Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul- Konvention im Land Bremen, Februar 2022 https://www.gesundheit.bremen.de/frauen/landeskoordinierungsstelle-istanbulkonvention/istanbul-konvention-umsetzen-bremer-landesaktionsplan-frauen-und-kinder-vor-gewaltschuetzen-42675

 

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